Am 30.8.1969 veröffentlichen Santana ihr Debüt „Santana“.

Im 21. Jahrhundert nehmen wir lateinamerikanische Einflüsse in der Rockmusik nicht mehr als etwas Besonderes wahr. Ende der Sechziger sah das noch ganz anders aus. Zu jener Zeit kreist der Rock vor allem um seine Blues-Wurzeln — eine „Falle“, in die zu Beginn auch Gitarrenlegende Carlos Santana und seine Mitmusiker tappen. Erst mit ihrem Debüt Santana löst sich die gleichnamige Gruppe von den starren Regeln, erschafft ihren ganz eigenen Stil und etabliert den Latin Rock. Blicken wir auf das Album zurück.

Zu Beginn seiner musikalischen Karriere zeigt sich Carlos Santana alles andere als experimentierfreudig. Ganz im Gegenteil: Anfangs beschränkt sich der Gitarrenmeister laut eigener Aussage ausschließlich auf seine Blues-Vorbilder John Lee Hooker, Jimmy Reed und B.B. King. Darüber hinaus zeigt er kein großes Interesse, was sich auch im Namen seiner Band niederschlägt. So heißt seine Gruppe zunächst The Santana Blues Band, danach sogar schlicht Blues Band. Zum Repertoire zählen ausschweifende Improvisationen, die zum Beispiel auf Kompositionen von B.B. King basieren. Erst später verpassen sich die Musiker die Bezeichnung, unter der sie Geschichte schreiben sollen: Santana.

Durchbruch auf lokaler Ebene

Ihre ersten größeren Shows spielen sie im Juni 1968 im legendären Fillmore West in San Francisco, wo sie gleich viermal auftreten. Mit detailverliebten Jams und ihrer instrumentaler Virtuosität beeindrucken sie Veranstalter Bill Graham so sehr, dass er die Band von dort an regelmäßig bucht. Fast alle Konzerte sind ausverkauft. Santana nehmen Fahrt auf, zumindest in der Bay Area um San Francisco, wo die Demos der Gruppe nun auch im Radio gespielt werden. Ende 1968 folgt der Ritterschlag: Clive Davis, seines Zeichens Vorsitzender des Labels Columbia Records, nimmt die jungen Künstler unter Vertrag. Nur einen Monat später beginnen Santana die Arbeiten an ihrem gleichnamigen Debüt.

Zu jener Zeit besteht die Truppe aus Carlos Santana, Sänger und Organist Gregg Rolie, Schlagzeuger Doc Livingston, Bassist Dave Brown und Congaspieler Marcus Malone. Während der ersten Aufnahmen stellen die Musiker jedoch fest, dass der Vibe nicht stimmt, und beschließen, ein paar personelle Änderungen vorzunehmen. Livingston muss gehen, an seine Stelle tritt Michael Shrieve, der sich bereits intensiv mit Jazz und Rock beschäftigt hat. Malone verlässt die Band aus persönlichen Gründen. Für ihn kommt Michael Carabello, der von 1966 bis 1968 schon einmal Teil der Gruppe war. Außerdem bringt er einen Conga-Kollegen mit, dessen Einfluss die Band auf ein neues Niveau heben soll: José „Chepito“ Areas.

In seiner Heimat Nicaragua genießt der Percussionist bereits einen hervorragenden Ruf. Auch in San Francisco konnte er sich mit seiner Band The Aliens eine Fangemeinde erspielen, obwohl er zu jener Zeit lieber wieder nach Hause möchte. Als Santana ihn entdecken, zeigt er sich zunächst skeptisch und weiß nicht, ob er mit den Langhaarigen verkehren möchte. „Ich trug einen Anzug, und sie waren ein Haufen dreckiger Hippies“, berichtet er in einem Interview mit dem Herald de Paris. „Ich wusste nicht, was ich mit diesen Kerlen anfangen sollte. Sie schliefen im Golden Gate Park, hatten Löcher in ihren Hosen und Batik-Shirts an.“ Schließlich tritt er der Gruppe aber doch bei und entwickelt sich schnell zum musikalischen Leiter. Was Bill Graham bereits angeraten hatte, setzt Areas in die Tat um, und verschmelzt die lateinamerikanischen Rhythmen der Musiker mit ihren Rock-Kompositionen. Das Ergebnis: der legendäre Santana-Sound, der nicht nur das erste Album der Band, sondern gleich das Genre Latin Rock und damit die Musikwelt prägen soll.

Auf nach Woodstock

Im Mai 1969 beginnen die zweiten Aufnahmesessions, die schließlich das vollständige Debüt hervorbringen. Noch bevor die Musiker das Album fertiggestellt haben, gelingt Bill Graham ein ganz besonderer Coup: Mitte 1969 steht das legendäre Woodstock-Festival vor der Tür, und Graham kann die Veranstalter davon überzeugen, Santana für das Ereignis zu buchen. Am 16. August spielt die Band für eine halbe Million Zuschauer — auf LSD. Das passiert aus Versehen, weil sich sich Santana und seine Kollegen in der Sicherheit wiegen, die Bühne erst in einigen Stunden betreten zu müssen, und ein paar Trips einschmeißen. Das klingt heute wild, hat zu jener Zeit aber den Stellenwert eines Prä-Show-Bierchens. Doch es kommt anders: Kurz nach dem Konsum stürmt ein Mitarbeiter des Festivals herbei und teilt mit, dass sie sofort auftreten müssen. Dennoch: Carlos Santana und seine Kollegen stellen ihre ganze Qualität unter Beweis und lassen sich kaum etwas anmerken.

Kurz nach dem denkwürdigen Auftritt erscheint Santana am 30. August 1969 – und schießt aus dem Stand durch die Decke, nicht zuletzt aufgrund der Woodstock-Performance. Es läuft also gut an für die Band. Als im März 1970 auch noch der Woodstock-Film inklusive des Santana-Songs Soul Sacrifice erscheint, brechen die Dämme. Die Gruppe ist in aller Munde, der neue Sound aus Kalifornien kommt hervorragend an. Bis heute geht Santana mehr als vier Millionen Mal über die Ladentheke.

Ein Gitarrenalbum für die Ewigkeit

Carlos Santana und seine Mitmusiker stellen mit ihrem Debüt eindrucksvoll unter Beweis, dass sie nicht nur wie ein perfekt funktionierendes Uhrwerk miteinander jammen können, sondern dass sie auch wissen, wie man Songs schreibt. Auffällig: Der Gitarrenmeister drängt sich zu keiner Sekunde in den Vordergrund. Immer wieder lässt er seinen Kollegen Luft für exzessive Soli, er selbst tritt nur in Erscheinung, wenn es erforderlich ist.

Das Artwork zur Platte stammt von Lee Conklin, der die Musik des Künstlers bereits bestens kennt, ob von den Konzerten im Fillmore West oder aus dem Radio. Der Illustrator hatte bereits Poster für mehrere Shows von Bill Graham entworfen, also überrascht es nicht, dass der Veranstalter ihn auch für eine Santana-Show anfragt. „Inspiriert von einer Muse namens Mary Jane“ (also: Marihuana) erinnert er sich daran, dass er ein Buch mit Tierfotos besitzt, in dem unter anderem ein Bild von einem Löwen zu finden ist. Dieses nimmt er als Vorlage für seinen Entwurf, auf dem allerdings nicht nur der Löwenkopf, sondern auch zahlreiche Doppelbilder zu sehen sind. Als Santana sein erstes Album eingespielt hat, erinnert er sich wiederum an die Zeichnung und fordert für das Cover eine neue Version an. „Obwohl das Bild nicht von Santana selbst inspiriert war, müssen die Details und das Naturell der Zeichnung ihn und die Leute von der Plattenfirma beeindruckt haben“, stellt Conklin später in einem Interview fest.

Bis heute bleibt Santana eine wichtige Platte in der Musikgeschichte, denn das Album markiert die Etablierung des Latin Rock, eines Stils, der in den Folgejahren auch andere Gruppen prägen soll, wie zum Beispiel die Rolling Stones oder die Jimi Hendrix Experience. Der Rolling Stone zählt die Scheibe zu den 500 wichtigsten aller Zeiten, 2012 wird sie in die Grammy Hall Of Fame aufgenommen. Carlos Santanas Einfluss auf die Gitarrenwelt lässt sich kaum messen, Größen wie Kirk Hammett von Metallica nennen ihn als wichtige Inspiration. Nach Santana soll er noch mindestens 50 Jahre aktiv bleiben, dank Supernatural räumt er 1999 noch mal richtig ab, mit Africa Speaks erscheint 2019 sein 26. Album.

Quelle: udiscover-music.de